Schon seit tausenden Jahren haben die Menschen den Kalk als Bindemittel bei den Farben, Kalkbewurf und Kalkmörtel verwendet. Der älteste Kalkofen ist in Mesopotamien 2450 v. Ch. gefunden worden. Im 13. Jahrhundert fingen die Esten an, den Kalk zu verwenden. Das hauptsächlich bei den Bauarbeiten der Kirchen. Das gute Vorbild hier waren die Deutschen und Skandinavischen Meister. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich die Kalkbrennerei in Estland rasant. Zum Beispiel zählte man im Jahr 1864 insgesamt 304 Kalkbrennereien. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fing man an, auch bei den Bauernhöfen, die kleineren Brennereien zu bauen. Hier, auf diesem Grundstück, wurde die erste Brennerei im Jahr 1895 erbaut.
Alle Kalköfen hier im Park sind verschieden groß und haben verschiedene Formen. Die allgemeine Regel war aber, dass der Ofen 2,5 – 4 m hoch und 1,5 – 2,5 m breit war. Die neuesten Öfen sind grösser, die ältesten kleiner. Die Innenofenwände waren meistens aus Granit, als Bindemittel wurde ein besonders hitzebeständiger Lehm verwendet, den man aus einem speziellen Ort in Kuusnömme holen konnte. Dieser Lehm bildete die Wände entlang eine starke Glasurschicht, die man hier auch sehen kann. Die Aussenwände waren entweder aus Kalkstein oder auch aus Granit. Beim Standort des Ofens war das natürlich wichtig, dass der Kalkstein in der Nähe vorhanden war. Die Öfen hier im Park sind alle direkt auf steinigen Böden gebaut worden. Rund um die Öfen trug man Kies, Steine, Sand, Erde etc zusammen, damit die Öfen eine noch bessere Wärmeisolation hätten. Das allerwichtigste Teil des Ofens ist die Frontwand, deren obere Kante bogenförmig gebaut wurde. Die Frontwand war auch stärker und massiver aufgebaut als die anderen Wände.
Der örtliche Kalkstein ist vor 400 Mio Jahren in der Zeit des Siluriums in den tropischen Klimabedingungen entstanden. Die Insel Saaremaa befand sich damals mit Australien in der selben Höhe. Also ist unser Kalkstein den langen Weg über den Äquator gereist und auf der Nordhälfte der Erde angekommen. Der Kalkstein befindet sich in der Erde in mehreren Schichten. Nicht alle von diesen Schichten sind für das Kalkbrennen geeignet, deswegen muss man die Schichten sehr gut durchschauen und sortieren. Es werden in der Welt grundsätzlich 2 Arten/Sorten vom Kalk produziert – der sogenannte Luftkalk, den gewinnt man aus purem Kalkstein, und der hydraulische Kalk, den gewinnt man aus lehmhaltigen Kalkstein. In unserer Gegend wird hauptsächlich der Luftkalk produziert. Der Luftkalk wird hart, während der Kalk auf Calcium Dioxyd in der Luft reagiert, der hydraulische Kalk wird hart, wenn man den mit Wasser mischt, ähnlich Zementrühren.
Das Kalkbrennen fängt damit an, dass man in den Kalkgrube die Steine brechen muss. Zuerst wird der Mutterboden beseitigt, bis die Kalksteinschichten zu sehen sind. Dann wird gebrochen – mit den speziellen Keilen, Stangen, Hammern. Die Keile werden zwischen die Schichten eingeschlagen, mit Stangen werden die Schichten Schritt für Schritt höher gehoben und die großen Steinblöcke herausgebrochen. Mit dem Hammer werden die letzten dann in passende Stücke gemacht. Beim Zerkleinern achtet man genau auf die Risse und Ritzen in den Steinen, das erleichtert das Zerstückeln ungemein. Für das Kalkstein Brechen ist Frühling die beste Zeit, da die Frost Spannungen vom Winter noch in den Steinen sitzen und die Spannungen sehr dazu beitragen, dass das Zerkleinern der Steine leichter geht.
Der Kalkofen hat eigentlich 2 Öfen: einen Steinraum und einen Feuerraum. Der Feuerrraum wird mit Brennholz gefüllt. Der Steinraum mit Kalksteinen gefüllt. Der Steinraum befindet sich über und neben dem Feuerrraum (siehe Foto 2)Vor dem Kalkbrennen wird der Kalkstein sortiert – aus möglichst gleichgroßen und glatten Steinen wird jetzt erst die Mauer für den Feuerraum gebaut. Für den Feuerrraum braucht man einen speziellen Kalkstein (möglichst Ziegelartige Stücke). Von der ganzen Ofenbreite nimmt der Feuerraum ca 2/3 und ist meistens 80-150 cm hoch. In den Wänden bleiben kleine Öffnungen, damit der Luftzug für das Brennen vorhanden ist. Hier kann man in den Feuerraum hinein gucken, weil das Gewölbe oben fehlt.
Der wichtigste Prozess vor dem Kalkbrennen ist das Aufbauen des Ofengewölbes. Das Gewölbe muss das ganze Gewicht der Kalksteine tragen und darf nicht zusammen fallen. Das Gewölbe muss auch die Hitze im Ofen gleichmäßig verteilen. Die Gewölbesteine tragen die Hitze auch am längsten und deswegen muss das Gewölbe aus besonders hitzebeständigen Steinen aufgebaut werden. Diese Steine bilden in der Kalkgrube eine Schicht für sich, die auch so heisst – die Gewölbesteineschicht. Die Steine wurden auf die Kante gelegt, kreuz über den Feuerraum und in die Zwischenräume wurden kleinere, sogenannte Keilsteine hinein gepresst.
Wenn dann das Gewölbe vernünftig aufgebaut war, konnte man anfangen, den Ofen mit den Kalksteinstücken zu füllen. Man durfte die Steine niemals stapeln, weil es zwischen den Steinen unbedingt einen Luftzug geben musste. Manchmal wurden zwischen die Steine lange Holzlatten gesteckt, die dann nach dem Abbrennen richtige Luftkanäle im Ofen gebildet haben. Bis ein Ofen voller Kalksteine gebrannt ist, vergehen 2-3 Tage. Dafür muss der Kalkbrenner stündlich ca 1m³ ungefähr 2 m langes trockenes Brennholz drauflegen. An den Öfen sind immer Schichtdienste. Früher waren das 12 Stunden, jetzt 8 Stunden im Stück eine Schicht. Die Temperatur im Ofen ist 1000°C bis 1300°C. Chemisch gesehen passiert im Ofen Folgendes: CaCO³==>CaO+CO² (CaCO³ – Kalkstein, CaO – ungelöschter Kalk). Die gut gebrannten Kalksteine bewahren iher Form, bekommen eine grün-gelbliche Farbe und verlieren ca 30% vom Gewicht. Gebrannter Kalkstein ist chemisch sehr aktiv, fängt gleich an auf die Luftfeuchtigkeit zu reagieren bzw. löschen und wird schnell Pulver oder Pasta.
Limex Ltd arbeitet nach dem System: das Heizen/Brennen fängt am frühen Morgen Mittwochs an und endet am späten Abend Freitags. An Wochenden kann der Ofen auskühlen. Die gebrannten Steine werden Montags aus dem Ofen geholt: Per hand in die spezielle Kiste geladen, per Kran aus dem Ofen heraus gehoben und zum Lagern transportiert. Das Ganze darf nicht gemacht werden, wenn die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, dann kann das alles gesundheitsschädlich werden, ganz abgesehen davon, dass der gebrannte Kalk anfängt auf die Feuchtigkeit zu reagieren und daraus schnell eine Pasta wird. Früher wurde der gebrannte Kalk auf dem Bauobjekt gelöscht, heute machen wir das in einer speziellen Wanne gleich nach dem Brennen und dann wird er in die Erde geführt, in die Lagergruben. Bei den Bauernhöfen gab es immer kleine Kalklagergruben, meistens direkt hinter der Sauna. Da löschte sich der Kalk beim Regen selber, manchmal wurde auch Wasser dazu gegeben, damit die Qualität besser wäre.
Um Kalk zu löschen, mischt man ungelöschten Kalk (gebrannten Kalkstein) mit Wasser. Chemisch gesehen: CaO + H²O ==> Ca(OH)². Es entseht Calcium Hydroxid bzw. gelöschter Kalk. Die spezielle Wanne wird mit 200-300 kg ungelöschtem Kalk und ca 2,5 Tonnen Wasser gefüllt. In den folgenden 15 Minuten lässt man den Kalk auf Wasser reagieren bzw. löschen. Danach wird die Masse auch richtig umgerührt, damit der ganze Kalk nass wird und gut löschen kann. Der gebrannte Kalkstein „schmilzt“ im Wasser, es entsteht eine weiße milchige Flüssigkeit, dazu sagt man auch Kalkmilch. Die wird gesiebt und in die Erde in die Lagergruben geführt. Dort kann das überflüssige Wasser mit der Zeit in die Erde sickern. Nachbleibt eine Zahnpasta-artige Kalkmasse, die ca 50% Wasser enthält. In diesen Lagergruben kann man den Kalk von 3 Monaten bis zu zig Jahren lagern. Je länger die Lagerungszeit, umso kleiner werden die Kalkteilchen und dadurch verbessert sich die Qualität.
Der Kalk wird als Kalkmilch verkauft. Der Kalk für die Farben muss mindestens 3 Jahre und der Kalk für Kalkbewurf mindestens 6 Monate gelagert sein. Es ist sehr wichtig, den Kalk als Pastamasse mit dem hohen Wasseranteil zu lagern, weil das Wasser es nicht zulässt, dass die luft an Kalk herankommt. Der Kalk wird in der Zucker- Metall aber auch Papierinustrie verwendet, aber vor allem natürlich in der Baumaterialienindustrie für Kalkfarben, Kalkmörtel und Kalkbewurf als Bindemittel. Praktisch geschieht Folgendes: der gelöschter Kalk an den Hauswänden etc. ist Dasgleiche wie der Kalkstein vor dem Brennen in der Kalkgrube. Gelöschter Kalk = Calcium Hydroxid reagiert auf auf CO² in der Luft, es entsteht Calcium Karbonat. Chemisch gesehen: Ca(OH)² + CO² = CaCO³ + H²O.
Den Kalk, den wir produzieren, verwendet man als Bau- und Bindematerial bei verschiedenen Kalkfarben, Kalkbewurf und Kalkmörtel. Dank dem naturellen Brennholz hat unser Kalk eine saubere Qualität und ist fast ohne jegliche Zusatzstoffe. Der Kalkmörtel traditionell estnischer Art besteht aus Sand und Kalkmilch, 3:1. Um eine gewöhnliche Kalkfarbe zu bekommen, nimmt man Wasser und Kalkmilch, 2:1 bis 5:1. Kommt darauf an, ob es Aussen- oder Innenwände sind. Die Aussenwände brauchen eine stärkere Konzentrazion. Die Kalkfarben werden mit den natürlichen Farbstoffen getont. Den Kalk aus Lümanda kennt man ausser Estland noch in Lettland, Litauen, Finnland und Schweden. Die bekanntesten Objekte, wo unser Kalk verwendet wurde, sind das Parlamentsgebäude in Tallinn, das Hauptgebäude der Uni und des Hugo Treffner Gymnasiums in Tartu, Schloss Alatskivi im Landkreis Tartumaa, die Gediminas Festung in Litauen, der Dom und die Zoll Schule in Helsinki.